EUROPAWEITE BEACHTUNG -- Die Französische Zeitung "Le génie civil" schreibt 1909: Elektrische Fähre im Einsatz auf dem Rhein von Godesberg nach Niederdollendorf

Wir zeigen hier einen außergewöhnlichen Zeitungsbericht aus dem Jahre 1909.

Kaum ein Jahr nach Indienststellung der Fähre Bad Godesberg-Niederdollendorf hatte die Fähre mit dem zukunftweisenden Antrieb europaweit Beachtung gefunden. So veröffentlichte die Wochen-Zeitung  der frnzösischen und ausländischen Industrie, "Le génie civil" (Das Bauwesen) in Paris (6, rue de la Chaussée-d'Antin, Paris) am 12. Juni 1909 ein ausführlichen Bericht mit einem Foto und vielen Datailzeichnungen.

HIER der Gesamttext
in einer Übertragung ins Deutsche von Heike Schuster:

“Le génie civil
Revue génerale hebdomadaire des industries françaises et étrangères”
[“Das Bauwesen
Wöchentliche Revue der französischen und ausländischen Industrie”]

"Electricité
Bac électrique a accumulateurs
en service sur le Rhin”
[“Elektrizität
Elektrische Fähre im Einsatz auf dem Rhein”]

Seit dem Sommer 1908 werden die beiden Orte Godesberg und Niederdollendorf, die an beiden Ufern des Rheins in der Nähe von Bonn liegen, von einer Fähre angelaufen (Bild 1), die wahrscheinlich das größte Elektroboot ist, das derzeit in Betrieb ist. Trotz der hohen Preise für die Wartung und den Betrieb der Batterie, die den Strom für den Motor liefert, gibt es außer diesen Nachteilen offensichtlich den Vorteil der Elektrobedienung. Der Strom, der verbraucht wird, wird unter hervorragenden wirtschaftlichen Bedingungen von der städtischen elektrischen Anlage (Stadtwerke) Godesberg zur Verfügung gestellt.

Der Rumpf (Bild 2 und 3) hat eine Länge von 30 m zwischen den Loten, 8 Meter Breite mittschiffs, und sein zulässiger Tiefgang liegt bei 0 m 85. Das Deck ist auf einer Höhe von 1,90 m über dem Kiel und trägt eine hölzerne Plattform, die auf 40 Zentimeter angehoben ist, um Passagiere und Fahrzeuge zu laden.

Um die Transportkapazität der Fähre zu erhöhen, die 650 Personen aufnehmen kann, hat man diese Plattform um 75 Zentimeter auf jeder Seite überstehen lassen. Längs wird der Rumpf in fünf Kammern geteilt, die durch vier Schotten unterteilt sind; ihr Rahmen wird durch einen Kiel und 64 Winkeleisen mit ungleichen Flanschen, die einen Abstand von 300 bis 500 mm haben.

Die wasserdichten Abteilungen der Fähre werden verwendet für :
Die von vorne ist für das Sicherheitsabteil; die zweite der Besatzungsposten; die dritte enthält die Speicherbatterie und zwei Seitengänge; die vierte Motoren und elektrische Ausrüstung und schließlich bildet die Letzte einen Keil unter dem Achtersteven.

An der Rückseite der Brücke ist eine Kabine installiert, vor der sich die Brücke befindet, die sie beherrscht. Diese Kabine, die als Unterstand bei schlechtem Wetter für die Passagiere dient, ist umgeben von einer Wandelhalle, die von einem Zelt überdeckt ist. Auf der Brücke sind alle Schalt- und Bedienungseinrichtungen für den Motor installiert, so dass der Fährmann alle Manöver steuern kann.

Die mechanische Installation an Bord besteht aus zwei Elektromotoren der Firma Felten und Guilleaume-Lahmeyer, acht in Reihe geschaltete Spulen, die 50 PS bei 300 Umdrehungen pro Minute entwickeln und jede einen Propeller in Gang setzen mit Hilfe einer Kupplungsmuffe. Diese Motoren sind für eine Spannung von 300 Volt berechnet, sie sind reversibel und können ihre Geschwindigkeit innerhalb ziemlich weiten Grenzen mit Schaltpolen variieren, sowohl rückwärtsfahren ohne Bürstenfeuer.

Ausserdem gibt es drei kleine Hilfsmotoren, die folgende Funktion erfüllen: zwei Motoren, die in  den Längscompartiments installiert sind, angrenzend derer des Akkumulators (Bild5), der verwendet wird, um die Enterfußgängerbrücken zu den Pontons zu manövrieren, die auf beiden Seiten der Plattform angeordnet sind und ein Geländer formen, wenn sie angehoben sind; der dritte Motor treibt die Entleerungspumpe , die mit Luftdruck arbeitet, der die Spülung zum Wasserklosett versorgt.

Bild 5 zeigt die Anordnung der beiden Brücken und ihrer Motoren ; letztere werden nur benutzt, um sie in die Fahrtrichtung zu heben, während deren Zusammenfaltung durch Gegengewichte verursacht wird, die in vertikalen Leitungen untergebracht sind, die auf beiden Seiten platziert sind. Die Brücken sind außerdem innen mit einem Stück Holz mit dreieckigem Querschnitt gesäumt, das eine Abschrägung bildet, um die Einschiffung von Fahrzeugen zu erleichtern.

Die Steuerungen der beiden Hauptmotoren, die auf der Brücke installiert sind, sind auf Bild 6 und 7 gezeigt. Sie sind horizontal und gegenseitig suspendus, (A und B). Ihre Kontaktrollen (Zylinder) sind durch Ketten angetrieben, vorbei an den Ritzeln ihrer Achsen und auf Rädern C und C’, jeweils auf der Achse eines Hebels verkeilt (L und L’), die man mittels eines Keils befestigen kann. Diese Hebel lassen sich bewegen in die Richtung, die man dem Boot geben möchte und dessen Geschwindigkeit sich erhöht mit ihrer Neigung relativ zur Senkrechten. Ein dritter Starter, der neben dem vorhergehenden angeordnet ist, ist in der Nähe der Hand des Fährmanns und wird verwendet, um die Hilfsmotoren zu betätigen.

Der Strom wird geliefert von einer Speicherbatterie aus 160 Elementen, Behälter aus Kunststoff, alle in Serie geschaltet und in einer Reihe von 10 untergebracht in den Kisten aus Holz, die Seite an Seite plaziert sind, in zwei Gruppen geteilt von einer Passage (Bild 5) im großen Fach, die unter der Plattform der Brücke vorgesehen ist. Dieses Fach, erreichbar über eine Spezialluke, ist sorgfältig isoliert von den anderen, wegen den Säuredämpfen, die  sich dort verbreiten.

Die volle Kapazität der Batterie liegt bei 335 Ampère-Stunden bei einer Entladung in einer Stunde, und sie liefert den Strom in einerdurchschnittlichen Spannung von 290 bis 300 Volt. Das Aufladen dieser Batterie geschieht während des Halts auf der Brûcke in Godesberg, mithilfe eines Kabels, daß die Steckdose an der Brücke mit der auf der Fähre verbindet. Die Beleuchtung der Fähre wird gewährleistet durch 28 Glühlampen, die auch von der Batterie gespeist werden.
Die An-und Ablegebrücken auf beiden Rheinseiten sind 16 Meter lang und 5 Meter breit und sind mit dem Ufer mit Brücken von 8 Metern Breite am Eingang und 4 Meter am Ufer verbunden.

Hier zum Abschluß noch einige Zahlen, gemessen bei einer Testfahrt :
Für die Überfahrt von Godesberg nach Niederdollendorf hat der Propeller (Schiffschraube) backbord während einer Minute und 10 Sekunden funktioniert und der Propeller Steuerbord während 2 Minuten und 30 Sekunden, für eine Totaldauer von 4 Minuten. Der Motor des ersten Propellers hat während dieser Zeit 145 Ampere gebraucht, und der auf Backbord nur 134 Ampères. Während der Rückfahrt funktionierte der linke Motor während zwei Minuten und zehn Sekunden, und der rechte während drei Minuten. Die Dauer dieser Fahrt betrug 5 Minuten. Die Amperezahl des Motors Backbord betrug 137 Ampere und die des Motors Steuerbord betrug 142 Ampere. Der Anlaufstrom (Startstrom) dieser Motoren betrug ungefähr 50 Ampere und die Intensität stieg bei voller Leistung, als der Regelwiderstand  kurzgeschlossen war, auf 150 oder 160 Ampere. Die beiden Motoren behielten während der ganzen Überfahrt eine Geschwindigkeit von fast konstanten 320 Umdrehungen pro Minute.

Bildbeschreibungen
1 – Elektrische Fähre im Einsatz auf dem Rhein von Godesberg nach Niederdollendorf
2  und 3 – Längsquerschnitt und Plan der Fähre
4 – Querschnitt, der beiden Hauptmotoren
5 – Querschnitt der Batterie
6 und 7 –  “Elevation et plan des contrôleurs” der beiden Hauptmotoren
8 – Ansicht eines Hauptmotors

WIR DANKEN
Stefan Unkelbach für den Scan und Heike Schuster für die Übersetzung.

HIER kommen Sie direkt zu unserer kompletten Galerie „Fähre Bad Godesberg – Niederdollendorf

 

Bild von 1909
Zur Verfügung gestellt von Stefan Unkelbach - Bonn

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Galerie: Fähre Bad Godesberg - Niederdollendorf
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