Jüdisches Schulleben in der Region: Die jüdische Schule in Bonn 1934 – 1942

Hans Hammerstein  (Mitte) mit seinem ehemaligen Bonner Schüler Willy Field und Frau in Naharia (Israel) 1883

Hans Herbert Hammerstein 

Hans Herbert Hammersteinwurde am 17. April 1901 in Berlin geboren und war in den 1930er Jahren in Deutschland als Lehrer tätig. 1934, unter der Herrschaft der Nationalsozialisten, hatte er in Bonn eine jüdische Volksschule aufgebaut, die nach reformpädagogischen Prinzipien arbeitete. Während des zweiten Weltkrieges emigrierte er nach Palästina.  Und nahm den Namen Ysrael Shiloni an. Viele Jahre später gründete er schließlich das Museum Deutsches Judentum in Nahariya.

Zusammen mit seinen drei älteren Geschwistern wuchs er in einer jüdischen Familie der großstädtischen Mittelschicht auf. Seine Mutter, Lucie Hammerstein, war Hausfrau und für die Erziehung der Kinder verantwortlich. Sein Vater, Felix Hammerstein, war erfolgreicher Textilkaufmann. Er starb als Hans Herbert Hammerstein zehn Jahre alt war. Die Familie war vollkommen assimiliert, Judentum spielte keine Rolle im Familienleben. Dass er Jude war, fand Hammerstein erst als Zwölfjähriger heraus.

Angst vor Schule war eine bedeutende Erfahrung in Hammersteins Leben. Seine Eltern stellten hohe Erwartungen an seine Schulleistungen, aber sie unterstützten ihn in seiner geistigen Entwicklung nicht. Stattdessen vertraten sie, dem damaligen Zeitgeist entsprechend, einen autoritären und restriktiven Erziehungsstil und bestraften schlechte Zensuren mit dem Stock

„Wir mussten während des Unterrichts gerade sitzen und die Hände vor uns auf den Tisch legen. Der Lehrer lief mit einem dünnen Stock in der Hand in der Klasse herum und schlug jeden, der diese Haltung nicht mehr einnahm. Es gab noch härtere Strafen für diejenigen, die in der Klasse wirklich störten. Deshalb habe ich mich immer bemüht, weit hinten zu sitzen. Wenn ich etwas nicht verstanden habe, dachte ich, die anderen hätten es auch nicht verstanden. Ich hinterließ offensichtlich den Eindruck, als ob ich ein bißchen beschränkt sei.“

1916 schloss Hammerstein die Schule ab und ging bei einer Textilfirma in die Lehre. Ende 1919 trat er in die in die jüdische Jugendbewegung „Blau-Weiß“ ein. Hier sollte er auf einen Lebensentwurf stoßen, der in krassen Gegensatz zum verhassten bourgeoisen Leben seiner Eltern stand. Hier traf er auf die alternativen Ideen der Reformpädagogik. Beides sollte sein Leben verändern.

Hammerstein reiste im Jahre 1926 nach Kowno, um im Kinderheim eines Reformpädagogen zu arbeiten und zum anderen, um sich im „HaSchomer Hazair“ (zionistische Jugendbewegung) zu engagieren. Zum ersten Mal weilte er in einer Umgebung, in der das Judentum und der Zionismus aktiv gelebt wurden. Dadurch eröffnete sich ihm sowohl eine neue Sichtweise auf sein „Volk“ als auch auf sein eigenes „Judesein“.

1927 reiste Hammerstein mit einem Touristenvisum nach Palästina mit dem Ziel, sich am Aufbau des Landes zu beteiligen und sein Leben dort zu verbringen. Kurz nach seiner Einreise heiratete Hammerstein seine damalige Freundin Sophie Wolpe. Aufgrund der verhängnisvollen wirtschaftlichen Lage in Palästina, entschieden sich Ende 1927 viele Neueinwanderer, in ihre alte Heimat zurückzukehren. Auch die junge Familie Hammerstein sah sich gezwungen, Palästina zu verlassen und nach Deutschland zurückzugehen.

Hammerstein studierte in Frankfurt. Im Jahre 1930, nach zweijährigem Studium, absolvierte er seine Abschlussprüfung und war nun ausgebildeter Volksschullehrer. Seine zweite abschließende Lehrerprüfung bestand er zwei Jahre später mit „Gut“. Zunächst bekam er eine Anstellung als Lehrer in Oberursel und kurz darauf an der erhielt er eine Festanstellung an der renommierten Schule Philanthropin in Frankfurt. 1932 fiel Hammersteins Stelle aus Ersparnisgründen weg und er wurde entlassen. Mittlerweile hatte Hitler die Macht ergriffen und mit dem Beginn der national- sozialistischen Diktatur setzte auch die Ausgrenzung und Verfolgung der jüdischen Minderheit ein, die auch das Schulwesen betraf. Bereits am 25. April 1933 wurde das „Gesetz gegen die Überfüllung der deutschen Schulen und Hochschulen“ erlassen, das für die Neuaufnahme jüdischer Schüler an allen Schulen, ausgenommen der Pflichtschulen, einen Numerus clausus von 1,5 festsetzte. Jüdische Kinder sollten grundsätzlich nur noch eine Mindestausbildung erhalten. Mit dieser gesetzlichen Regelung begann die schleichende Verdrängung jüdischer Schüler aus den öffentlichen Schulen.

Auch die jüdische Gemeinde in Bonn hatte nach der Machtübernahme Hitlers die Notwendigkeit der Gründung einer jüdischen Volksschule erkannt. Zudem wurde auch von staatlicher Seite die Errichtung jüdischer Schulen befürwortet. Die Nationalsozialisten förderten ein separates jüdisches Schulwesen mit der Absicht, die jüdischen Kinder schrittweise aus dem öffentlichen Schulbetrieb zu entfernen. Daraufhin wurde am 30. Januar 1934 der „Jüdische Kultur- und Schulverein für Bonn und Umgebung e.V.“ gegründet, dessen Leitung Professor Dr. Otto Toeplitz übernahm. Da die Konzession nur auf den Schulleiter ausgeschrieben werden konnte, machte sich Toeplitz nun auf die Suche nach einer geeigneten Person. Die Witwe des berühmten jüdischen Philosophen Franz Rosenzweig machte ihn auf Hammerstein aufmerksam. Anfangs war die Frage der zweiten Lehrkraft noch nicht geklärt, denn Hammerstein sollte sich seinen Kollegen selbst auswählen. Toeplitz schlug ihm den Lehrer Bernhard Valier-Grossmann vor, der ein orthodoxer Jude war. Hammerstein war über diese Empfehlung erfreut, war er doch selbst zu wenig religiös, um genug jüdische Religion und Tradition in den Schulunterricht einfließen lassen zu können. Aufgrund von Hammersteins reformpädagogischen Methoden war Grossmann zunächst sehr skeptisch und lehnte ab. Also begann Hammerstein allein zu unterrichten, wobei er von seiner Ehefrau Sophie unterstützt wurde. Sophie Hammerstein hatte bis zur Geburt ihres zweiten Kindes eine halbe Stelle an der Schule. Sie erteilte Handarbeitsunterricht, Hebräisch und Mädchenturnen. Einige Wochen nach der Schulgründung wollte Grossmann, der viel Gutes über Hammersteins Tätigkeit gehört hatte, doch an der Schule mitarbeiten und übernahm die älteren Schüler. Ab 1937 verschlechterten sich die Verhältnisse. Bisher hatte Hammerstein, der großen Wert auf Aktivitäten in der Natur legte, regelmäßig Wanderungen mit seinen Schülern unternommen. Aber seit diesem Jahre war es Juden verboten mit der Bahn zu fahren und so konnten größere Unternehmungen fortan nicht mehr durchgeführt werden. Im April 1937 begann die Geheime Staatspolizei (Gestapo) gegen die Ludwig- Philippson-Loge vorzugehen, mit der Absicht ihr gesamtes Vermögen einzuziehen. In diesem Zusammenhang beschlagnahmte die Gestapo am 19. April auch das Schulgebäude. Dementsprechend musste der Schulunterricht über mehrere Wochen ausfallen, bis der verantwortliche Kreisschulrat Dr. Esterhues die Freigabe der Räume für Schulzwecke erwirkt hatte. Der Unterricht der Privaten Jüdischen Volksschule fand also von nun an in einem Gebäude statt, das sich im Besitz der Gestapo befand.

Durch vermehrte Auswanderung schrumpfte die Gemeinde stetig und mit ihr die Schülerzahlen der Volksschule. Im Jahre 1937 lebten nur noch 714 Juden in Bonn. Dementsprechend besuchten im Mai desselben Jahres nur noch 66 Kinder die Schule wobei über ein Drittel aus den umliegenden Gemeinden Beuel, Bornheim, Godesberg, Meckenheim, Hersel, Rheinbach, und Roisdorf stammte. Die Stettiner Jüdische Gemeinde, die mit 2031 Mitgliedern fast dreimal so groß war wie die Bonner Gemeinde, suchte einen Direktor für ihre Volksschule. Hammerstein bewarb sich auf den Posten und verließ Bonn am 1. Oktober 1937. Im Oktober 1937 nahm er seine Arbeit in Stettin auf und auch seine Frau Sophie fand Anstellung als Handarbeitslehrerin an der Schule.

Am 21. Juni 1939 verließ Hammerstein Deutschland in Richtung Großbritannien. Als er dort angekommen war, wurde er von der britischen Regierung im Kitchener Camp bei Dover untergebracht. Mitte 1939 lebten dort etwa 3000 Männer.

Kurze Zeit später beschloss man diese vermeintlichen „Enemy Aliens“ nach Australien zu verschiffen. Im Juli 1940 wurde Hammerstein zusammen mit 2000 jüdischen Flüchtlingen sowie 542 deutschen und italienischen Gefangenen an Bord der Dunera gebracht. Er traf auf dem Schiff auf zwei seiner ehemaligen Bonner Schüler.

Nach zweimonatiger Tortur erreichte die Dunera schließlich die australische Küste. Die deutschen und italienischen Gefangenen wurden nach Melbourne gebracht. Für die übrigen 2000 ausschließlich jüdischen Flüchtlinge ging die Reise weiter.

Im Sommer 1942, nach fast dreijähriger Odyssee, trat Hammerstein nun endlich seine langersehnte Reise nach Palästina an. Am Ziel seiner Träume angelangt, arbeitete er für kurze Zeit in dem Kinderdorf Ben Shemen. Doch bald wurde Hammerstein klar, dass er nicht lange mit den Kindern arbeiten könne, da er sie, aufgrund seines schlechten Hörvermögens, kaum noch verstand.

Schon gegen Ende seiner Militärzeit hatte Hammerstein wieder geheiratet. Seine zweite Frau, Miriam Shiloni, kannte er bereits aus seiner Zeit in Kowno. Zusammen wollten sie eine neue Familie gründen.

Im Jahre 1950 erhielt die Familie eine Einladung von dem Kibbuz Beth Zerah, man bot ihnen Arbeit an. Die Familie Shiloni lebte und arbeitete zwanzig Jahre in Beth Zerah. Allerdings geriet Yisrael Shiloni wiederholt mit den anderen Mitgliedern des Kibbuz in Konflikt, insbesondere wegen seiner zahlreichen freundschaftlichen Kontakte nach Deutschland. Aufgrund dieser Auseinandersetzungen beschloss die Familie Beth Zerah zu verlassen.1967 zogen sie nach Nahariya, eine kleine Küstenstadt nördlich von Haifa.

Am 22. Januar 1996 verstarb Shiloni dort im Alter von 95 Jahren.

Hans Herbert Hammerstein 1925 in Ostpreussen.

Bild von 1941 ca.
Gabriele Wasser & Eli Harnik
Quelle: William Field und Judy Field, London
Zur Verfügung gestellt von G. Wasser u. E. Harnik - BN-Oberkassel
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