Karl Schumacher, Jahrgang 1931, der damals mit seinen Eltern und Geschwistern neben dem Haus 42 der Familie Klaes auf dem Rennenberg wohnte, schreibt als Zeitzeuge zur Stolpersteinverlegung am 12.11.2021:
Vorwort
Ludwig Klaes, Jahrgang 1900, galt, weil er Mitglied der KPD war, während der Herrschaft des Naziregimes, als politisch gefährlich.
Er wurde im März 1933 wegen des Verteilens von Flugblättern zu einem Jahr Gefängnis, und im Mai 1936 in einem weiteren Verfahren zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt.
Unter dem Unrecht, welches ihm durch die Willkür der damaligen Justiz widerfuhr, vor allem jedoch durch die Tennung von seiner Familie, litt er unsäglich.
In der Einsamkeit der Gefängniszelle hat er Gedichte geschrieben, die er seiner Frau und seinen Kindern widmete. Es sind tiefe gefühlvolle Gedanken, die den Schmerz erkennen lassen, den er durch die Trennung empfunden haben muß.
Bei den seltenen Besuchen, die seiner Frau erlaubt wurden, hat er ihr die auf Papierfetzen gekritzelten Gedichte zugesteckt.
Alle Originale der Niederschriften und Briefe hat seine Tochter Else als wertvolles Vermächtnis gesammelt und bis heute aufbewahrt. Sie sind als „Lyrik aus der Gefängniszelle“ von einem Verlag veröffentlicht geworden.
Die Bürgerschaft der Stadt Königswinter hat vor dem Wohnhaus von Ludwig Klaes am 12. November 2021 erstmals für einen Mann einen Stolperstein setzen lassen, der wegen seiner politischen Gesinnung von den Nazis verfolgt wurde.
„Die Familie Klaes bewohnte das Haus Nr. 42 in der Rennenbergstraße. Ich wohnte mit meinen Eltern und Geschwistern im Nebenhaus. Ich befand mich auf der Straße vor unserem Haus, als eine schwarze Limosine über die Rennenbergerstraße heranfuhr und vor dem Haus Klaes hielt. Das war sehr ungewöhnlich, denn im ganzen Ort gab es kaum Leute, die sich ein Auto leisten konnten. Damals war ich fünf Jahre alt. Drei Männer in langen Ledermäntel stiegen aus und rannten ins Haus Klaes. Die Tochter Else wollte ins Haus, um nach dem Grund für den merkwürdigen Besuch zu fragen. Man ließ sie aber nicht ins Haus. Nach einiger Zeit verließen die Männer das Haus und führten Ludwig Klaes fort. Nachmittags erfuhren wir, dass Klaes verhaftet worden war und angeklagt würde wegen staatsfeindlicher Umtriebe.
Else durfte während der ganzen Haftzeit ihren Vater nur eimal besuchen. Das war anlässlich ihrer Ersten Kommunion. Über diesen Besuch hat der Vater ein Gedicht geschrieben, das auch wieder aus dem Gefängnis geschmuggelt wurde. Es befindet sich heute in der vorhin angesprochenen Gedichtesammlung „ Lyrik aus der Gefängniszelle.“
Als der Vater am 9. November 1940 entlassen worden war und unangemeldet über die Rennenbergstraße nach Hause ging, begegnete ihm ein kleiner Junge, der ihm irgendwie bekannt vor kam. Er fragte ihn „Bist du ming Rudichen?“ Er war es. So gingen Vater und Sohn Hand in Hand zu ihrem Haus. Die Nachbarn, die diese Szene miterlebten, waren sehr bewegt.
Ludwig Klaes suchte am nächsten Tag alle Nachbarn auf und teilte ihnen seine Entlassung mit. Er war aufrecht und ungebrochen. Man hütete sich aber mit ihm über Politik zu sprechen.
Er war ihm mitgeteilt worden, dass nun nur bedingt wehrwürdig sei. Es war aber klar, er wurde nach einiger Zeit zur Wehrmacht eingezogen und der berüchtigten Strafdivision 999 zugeteilt. Die Ausbildung fand im Lager Heuberg statt. Die sogenannte Umerziehung im dortiger Lager waren nach seiner Schilderung unmenschlich. Viele Soldaten haben die Ausbildung in dem Lager nicht überlebt.
Klaes hat es fertiggebracht, aus dem Zuchthaus Siegburg Einfluss zu nehmen auf die Erziehung seiner Kinder. Bei der Inhaftierung hatte es der Zufall gefügt, dass er Kontakt bekam zu einem Mithäftling, der Hochschullehrer gewesen war. Dieser Beziehung war es verdanken, dass er seine Allgemeinbildung erheblich erweitern konnte. In der kurzen Zeitspanne zwischen Haftentlassung und Einberufung zum Militär hat er vieles an seine Kinder weiter vermittelt.“
Nach der Ausbildung wurde seine Einheit zunächst nach Griechenland verlegt und später an die Ostfront. Sein letzter Brief an seine Familie stammt vom 27. Februar 1944 aus Odessa.
Der Familie wurde mitgeteilt, dass er verschollen sei.
Königswinter, 25. 11. 2021 Karl Schumacher
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