Hier nun die Einführung von Heidrun Wirth am 3. September 2015
Am Stenzelberg Bilder von Wolfgang Hunecke im Haus der evangelischen Kirche
*
Wolfgang Hunecke ist in Bonn seit vielen Jahren bekannt, allein schon durch sein markantes „Baumhaus“ in Beuel (Kreuzstraße 47), wo er seit 1989 kontinuierlich eine Kunstschule aufgebaut hat und in Malkursen unterrichtet. Von 1990 - 1995 war Wolfgang Hunecke Vorsitzender des Berufsverbands Bildender Künstler in unserer Region und 1991 steigerte sich seine Bekanntheit in Bonn noch einmal, als eine große Außenskulptur vor dem Jugendgästehaus auf dem Venusberg ihren Platz fand. In dieser fünfteiligen Arbeit wurden silhouettierte Figuren aus allen seiten eines eisernen Würfels ausgesägt, „mit flottem Schmiss und jugendlicher Frische und Dynamik“ , wie ich damals schrieb. Die ausgeschnittenen Formen selbst dienten im Inneren der Jugendherberge als Leitsystem.
Solche Begegnungen, wie sie sich auf dem Venusberg ergeben, sind dem Künstler wichtig. Ab 1989 förderte er eine Druckwerkstatt in Granada (Casa de los tres mundos) in NIcaragua und gab dort an Ort und Stelle sein Wissen weiter. 1995 stellte er die Ergebnisse in Form von über 30 Grafiken von 15 Künstlern und Künstlerinnen aus Nicaragua in Bonn im Haus an der Redoute aus. Redner war unter anderem der Initiator des Projektes, Dietmar Schönherr.
Wolfgang Hunecke entdeckte in Nicaragua aber auch präkolumbianische Fels- Ritzzeichnungen, nahm Frottagen ab von den archaischen Bildern und Zeichen und ließ sich in der Folge davon zu eigenen Nachschöpfungen inspirieren. „Es gelang ihm“, so fand ich im Dezember 1993, „in solchen sensibel tastenden Arbeiten das Ambiente des Geheimnisvollen einer versunkenen Welt zu vermitteln.“
Und das ist nun heute in dieser Ausstellung hier mit den Bildern vom Stenzelberg gar nicht einmal so viel anders. Hier rätseln wir, was unter der weißen Schneedecke verborgen ist, welche geheimnisvolle Ausstrahlung von diesen menhireähnlichen Steinen ausgeht. Werden die Steine nicht manchmal zu anthropomorphen Gestalten, wenn sie so wuchtig vor uns stehen?
Das Sujet zieht sich durch die verschiedensten Techniken, ob in den großen Formaten in Öl oder in leichten Aquarellen und Zeichnungen, ob in den düsteren Ätzungen von Radierungen (einem Tiefdruckverfahren auf der Zinkplatte) oder in jenen diffizilen Holzschnitten (Hochdruckverfahren), die im Mehrfachdruck von einer Platte gedruckt wurden und die der Künstler für weitere Druckverfahren immer weiter zerlegt, so dass man vom „verlorenen Druckstock“ spricht. In einer Kombination aus Positiv und Negativ entstehen, wie Sie unschwer vergleichend feststellen können, stets Unikate in verschiedenen Zustandsdrucken.
Überall aber sind solche geheimnisvollen Züge auszumachen und so erinnern mich diese Walddarstellungen auch ein bisschen an den großen Bilderzähler des Nordens Edvard Munch mit seinen unheimlichen Märchenwäldern, in denen man eher Unheimlichkeiten als Romantik findet. Auch die Schneeverhüllungen sind bei ihm ähnlich. Munch hat seine Landschaftsbilder als „seine Kinder mit der Natur“ bezeichnet. Und dabei ist keines frei von Melancholie.
Interessanterweise hat auch Wolfgang Hunecke ein Bild geschaffen, das er „melencolia“ nennt, hier allerdings nach einem Kupferstich von Dürer. In dem Dürerschen Meisterwerk interessierte ihn der rätselhafte glatte Stein mit seinen geometrischen Flächen. Auch der bleibt so geheimnisvoll wie die Steine am Stenzelberg.
Wolfgang Hunecke sieht diese vulkanische Landschaft jedes Mal anders, wie die 43 Werke zeigen.
Wie diese steinerne Welt aber entstanden ist, war auch in der Forschung lange umstritten. Die neueste Version stammt von dem Vulkanforscher Sven von Loga. Ausgangspunkt ist die Vulkantätigkeit im Siebengebirge vor 25 Millionen Jahren. Es bildeten sich meterhohe Tuffablagerungen. Etwa eine Million Jahre später, brachen erneut Vulkane aus und drückten Magma in Schloten nach oben. Doch dieses Magma konnte die alte Tuffschicht nicht durchbrechen und so sind die sogenannten Quellkuppen aus Latit entstanden. Während in den nächsten Millionen Jahren der Tuff von Wind und Wetter abgetragen wurde, blieben die viel härteren Quellkuppen stehen und auch die sogenannten Umläufer mit den Hohlräumen der alten Magmakammern. Die Latitvorkommen sind übrigens die einzigen in Deutschland.
Seit dem 12. Jahrhundert wurde der Latit dann als begehrtes Baumaterial abgebaut in reger Steinbrucharbeit, die sich bis ins 19. Jahrhundert erstreckte. Kloster Heisterbach und die Probsteikirche der Benediktiner in Oberpleis wurden mit diesem Stein gebaut.
Wolfgang Hunecke, der selbst 1950 in Bonn geboren ist, und die Gegend von Kindheit an kennt, zieht es immer wieder in diese zyklopische Landschaft, in der er sich als Maler abarbeitet wie seinerzeit Cézanne am Mont Saint Victoire Provence.
Und so verfolgt er sie durch die Jahreszeiten, durch Tag und Nacht. Das Licht, die Konturen und die Farben seien jedes Mal anders, genauso wie die Monumentalität der Steine. (Schön passt übrigens der neu heraus gegebene Kalender für 2016). Dem Künstler geht es nicht um harmonische oder romantische Darstellungen, sondern gerade um diese Mischung aus Natur- und Kulturlandschaft ist, die ihn fasziniert, wie er sagt.
Im Winter betont der Schnee das Unveränderliche, das vegetative Grün steht für die vitale Lebendigkeit. Es verdeckt zugleich die schroffen Konturen des Gesteins. Kühn trotzt ein Baum am felsigen Abhang und manchmal geht das Geäst über in die Sprünge und Risse im Gestein. Auch der Himmel kann ganz unterschiedlich sein, klar und tieffarbig oder fleckig aufschimmernd oder matt sich mit der Erdoberfläche verbindend. Unterschiedlich ist der Duktus, ob mit Pinsel oder Stift. Sichtbare Pinselstriche führen zu flimmernd belebtem Ambiente, zurückgenommene zu entrückter Ruhe. Klar konturierte Formen wechseln mit feinst nuancierten Farbübergängen.
Wir nehmen wahr, dass das Spiel von trotzigem Lebenswillen und morbidem verdeckten Zerfall sich als zu Grunde liegendes Thema durch das gesamte Werk zieht.
Langsam entstehen die Ölbilder, wobei eine Lasur über die andere gelegt wird. Und wie Cézanne am Mont Saint Victoire geht es auch ihm um eine Art Kampf mit der Natur, die immer wieder anders ist und eigentlich unfassbar bleibt.
Solch eine Umsetzung der angeschauten Wirklichkeit in die Logik eines Bildes nannte Cézanne „Realisation“, in der es „kein Loch mehr geben darf, durch das die Wahrheit entschlüpfen kann.“
FOTO hier unten: Der Künstler Wolfgang Hunecke bei der Ausstellungseröffnung.
|