Im Jahr 2020 - nach 70 Jahren ausgegraben : Alter Mühlstein erinnert an die Mühlen in Römlinghoven

Dazu schreibt Roswitha Oschmann am 24.9.2020 im GA-Bonn/Siebengebirge:
Ein Mühlstein – für Franz Richarz so wertvoll wie Gold
Fundstück stammt aus der 1804 errichteten Ölmühle von Römlinghoven

RÖMLINGHOVEN. Mehr als 70 Jahre war er verbuddelt. Jetzt wurde ein alter Mühlstein wieder ans Tageslicht befördert. Ein historisches Relikt, das an die Existenz von Mühlen in Römlinghoven erinnert. Beim Abriss eines Hauses am Humbroichweg in Römlinghoven wurde der Mühlstein entdeckt und geborgen. „Der Stein stammt von der Mühle meines Ururgroßvaters Johannes Richartz“, erzählt Franz Richarz aus Bonn-Vilich.

Zunächst sicherte er das steinerne Zeugnis auf seinem Anwesen. „Aber das gehört in den Brückenhof. Ich würde mich freuen, wenn der Mühlstein dort im Heimatmuseum seinen Platz finden darf“, sagte der 71-Jährige, der über seine Ahnenforschung auch in Sachen Mühlen eine Menge herausfand. Denn seine Vorfahren bauten und betrieben Mühlen in Römlinghoven und Oberdollendorf. In engem Kontakt mit den Heimatforschern Karl Schumacher und Theo Molberg brachte er Licht ins Dunkel von Mühlen- und Familiengeschichte.   

Von Emil Müsgen hatte Franz Richarz vor vier Jahren erfahren, dass dieser als Kind mit seinem Vater Basaltsteine und den Mühlenstein aus der Mühlenruine geborgen hatte. Die Steine wurden für den Hausanbau eingesetzt. Und den Mühlstein, der zum Kriegsende im Garten lag, nutzten amerikanische Besatzungssoldaten als Grilleinfassung, wobei er durch Feuer beschädigt wurde. Der Mühlstein aus Latit verschwand dann wenig später als Füllmaterial unter einer Hausbodenplatte.

Vor zwei Jahren hörte Richarz von Verkaufs- und Abrissabsichten des Müsgen-Hauses. Und als nun der Bagger der Firma Fischer anrollte, bat er die Arbeiter, doch ein Auge auf den Mühlstein zu haben. Der so wie ein Goldklumpen heiß ersehnte Stein tauchte tatsächlich auf. „Vor drei Wochen meldeten sie mir den Fund“, so Franz Richarz überglücklich. Mit einem Nachbarn brachte er den Stein nach Hause, wo er ihn auch dem Experten Karl Schumacher präsentierte. Der Ölmühlstein ist in Segmenten erstellt; ein Stück ist zerbrochen.  

„Meine Vorfahren zogen von Vilich nach Römlinghoven, ich habe es umgekehrt gemacht“, erzählt Richarz. Die Familie betrieb insgesamt vier Mühlen – eine davon stand in Oberdollendorf, zwei in Römlinghoven am Waldrand und eine Dampfmühle in der Ortsmitte, die später das Hotel Mühlenhof von Römlinghoven wurde.
1784 von Vilich rheinaufwärts

Es war nach dem Jahrtausend-Hochwasser am Rhein vom Februar 1784, als der erste Richartz, damals noch mit „tz“, seine Spuren rheinaufwärts hinterließ: Zimmermeister Adam Richartz gab nämlich ein Gutachten über das vom Wasser beschädigte Pastoralhaus in Niederdollendorf ab und heiratete 1785 Anna Margaretha Rhein aus Oberdollendorf; sie bekamen drei Söhne – Johannes, 1786 geboren, Johannes Adolph, 1788, und Hilarius Jacob, 1802. Vater Adam sorgte für seine Söhne gut vor. Sein jüngster Sohn, Hilarius Jacob Richartz, sollte später einmal die „Lohmühle im Dich“ am Eingang des Oberdollendorfer Mühlentals erben. Den beiden älteren Söhnen baute er etwas Neues in Römlinghoven. 

Mühle für den ersten Sohn Johannes
1804 errichtete Adam am Grundelbornbach in Römlinghoven eine Mühle mit zwei Mahlgängen. Diese Mühle, zunächst eine Öl-, später eine Walkmühle, wurde von seinem ersten Sohn Johannes betrieben; seit 1827 stand sie auch auf dessen Namen. „Ich habe sie in Öl gemalt, rekonstruiert nach den Angaben von Mühlenfachmann Karl Schumacher und Emil Müsgen“, berichtet Franz Richarz. Diese Mühle wurde die untere Römlinghovener Mühle genannt. Von ihr also stammt der Ölmühlstein. Noch ein Relikt dieser Mühle blieb erhalten: der Türbalken mit der Aufschrift 1804. Den hatte sich Müsgens Nachbar Peter Josef Schmitz einst aus der Mühlenruine geholt; dessen Tochter ließ den Balken in die Grundstücksmauer ihres neuen Hauses an der Flurgasse einbauen.

Johannes‘ Sohn Tillmann Richarz baute die Mühle übrigens 1867 als Dampfmühle im Dorf ganz neu auf. Bis 1905 soll sie in Betrieb gewesen sein. Römlinghoven mauserte sich zum Luftkurort, zog Sommerfrischler an. Und so wurde die Mühle in der Dorfmitte zunächst die Pension T. Richarz. Tillmanns Sohn Adam baute 1898 ein neues Logierhaus und einen großen Saal, in dem der Bürgerverein Theateraufführungen veranstaltete. 1910 entstand dort das idyllische Hotel „Zum Mühlenhof“.  

Mühle für den zweiten Sohn Johannes Adolph
Für den Wiederaufbau der oberen Römlinghovener Mühle mit Ölpresse und einem Hafer- und Gerstenschälgang, die dann vom zweitältesten Sohn Johannes Adolph betrieben wurde, erhielt Adam Richartz 1814 die Genehmigung. Hier hatte bereits eine Vorgängerin gestanden. Denn: 1684 erhielt Heinrich Hoitz aus Oberpleis die landesfürstliche Erlaubnis, seine Ölmühle nach Römlinghoven auf den Gründelbornbach zu verlegen. Deren letzter Eigentümer verstarb 1799 - dessen Witwe war die Cousine von Adam Richartz‘ Frau.

Ist es denkbar, dass Adam Richartz für den Bau der unteren Mühle 1804 den Mühlstein aus der mittlerweile stillgelegten Hoitz-Mühle geholt hatte? Ist der nun geborgene alte Ölmühlstein möglicherweise noch viel älter? Franz Richarz: „Die Frage nach dem Alter des Steins wage ich nicht zu beantworten. Das überlasse ich den Experten.“  oro

Wasserstreit mit David Cahn
Beide Mühlen wurden durch Mühlteiche versorgt. „Oft kam es im Sommer zu Überflutungen der Anlagen“, erzählt Franz Richarz. „Das Wasser wurde in Teichen gespeichert und lief über eine hölzerne Rinne auf das Mühlrad“, erläutert Karl Schumacher das Prinzip dieser beider oberschächtigen Mühlen, „durch das Gewicht wurde das Mühlrad angetrieben.“ Die Brüder Johannes und Johannes Adolph waren also auf das Wasser in ihren angelegten Teichen angewiesen.

Als jedoch der Wald am Grundelborn gerodet und die dortige Quelle ummauert wurde, fürchteten sie um ihre Existenz. Deshalb klagten sie 1858 gegen den jüdischen Kaufmann und Waldbesitzer David Cahn, der im Jahr zuvor mit seiner Frau Pfanni Süskind das Gut Sülz von der Rheingräfin Sibilla Mertens-Schaaffhausen erworben hatte und dort lebte. Die Brüder Richartz warfen ihm Wasserverunreinigung und Wasserentzug vor. Karl Schumacher weiß: David Cahn gab nach. Kolportiert ist, dass Cahn sich eher Sorgen um die „Ströpper“ von Römlinghoven machte, die sich heimlich ihren Sonntagsbraten aus dem Wald holten, als um das Wasser.  

Der Sokrates der Familie gründet Schnapsbrennerei
Johannes Adolph Richartz hatte einen Sohn – Wilhelm Josef Richartz, Jahrgang 1829. Sein Spitzname: Sokrates. Er gründete 1861 nach dem Verkauf der elterlichen Ölmühle und Landwirtschaft die Schnapsbrennerei W.J. Richartz in Oberdollendorf. Den Firmensitz verlegte er 1877 an die Hauptstraße nach Königswinter. Sein Sohn Carl Heinrich Richarz übernahm die Führung des Geschäftes 1900 und hatte sie bis zu seinem Tod 1948 inne. Er hatte eine besondere Liebhaberei – die Fotografie und veröffentlichte die Aufnahmen im Selbstverlag „Richarz Naturaufnahmen“, allerdings weniger unter kommerziellen Gesichtspunkten, vielmehr verschenkte er die Arbeiten an Geschäftsfreunde. Einen künstlerischen und dokumentarischen Wert haben sie ohnehin.   oro

Diesen Artikel hat Roswitha Oschmann freundlicherweise für unser Virtuelles Brückenhofmuseum zur Verfügung gestellt.

Bild von 2020
Quelle: General-Anzeiger Bonn
Zur Verfügung gestellt von Foto: Frank Homann - Text: Roswitha Oschmann
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Raum: Mühlen
Raum: Siebengebirge und der Rhein
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