Sonderausstellung

 Brückenhofmuseum

„Man stolpert mit dem Kopf und mit dem Herzen“
In Quirrenbach und Oberdollendorf erinnern Stolpersteine an das Schicksal jüdischer Familien aus Königswinter

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Gunter Demnig verlegt am Plätzer Weg in Quirrenbach acht Stolpersteine zur Erinnerung an die Familie Cohn.
FOTOS: FRANK HOMANN

QUIRRENBACH.
Und plötzlich bekommt jeder Stein ein Gesicht. „Sie waren in unserem Alter", sagen die vier Schüler vom Oberpleiser Gymnasium am Oelberg. Sie nennen die Namen Alfred, 17 Jahre, Egon, 16, Benno, 13, Leon, 12, Max, 11, und Frieda, 8, die mit ihren Eltern David und Sophia Cohn im Juli 1942 von Quirrenbach nach Minsk deportiert und dort wenige Tage später ermordet wurden.

Nun machen auf, dieses grausame Geschick einer ganzen Familie acht Stolpersteine aufmerksam, die der Kölner Künstler Gunter Demnig am Plätzer Weg in die Erde setzte, genau gegenüber der Stelle, an der früher das Wohnhaus der Cohns stand.

„Diese Steine öffnen Augen", sagte Bürgermeister Peter Wirtz. „Ich freue mich, dass wir hier in Quirrenbach an diese Familie erinnern können, die hier lebte, arbeitete, Kinder bekam, aber nicht von dem schrecklichen Schicksal verschont blieb." Er bedankte sich für das Engagement bei den Initiatoren, dem Heimatverein Oberdollendorf-Römlinghoven, den Schülern und dem Künstler. Heimatvereins-Vorsitzender Lothar Vreden sagte den Bürgern Dank, die nicht nur zur Finanzierung beigetragen hatten, sondern in sehr großer Zahl zu der Verlegung der Stolpersteine gekommen waren, darunter einige, die sie noch gekannt hatten, die jüdische Familie Cohn, denn sie war integriert in das Dorfgeschehen.

„Man stolpert mit dem Kopf und mit dem Herzen", meinte Gunter Demnig. Und zu Herzen gingen die Ausführungen der Gymnasiasten Stephanie Morche, Sarah Weber; Annika Mondry und Christoph Olbert, die sich in ihrer Freizeit mit dem Leben der Familie Cohn befasst hatten, ihre Spuren verfolgten in Büchern, aber auch im Gespräch mit Zeitzeugen. So konnte sich die Großmutter Sarah Webers erinnern, wie das Ehepaar Cohn mit den Kindern an der Straße stand und auf den Abtransport wartete. Ins Arbeitslager, glaubten sie. Aber Alfred Cohn hatte seinem Freund Karl-Hermann Uhlenbroch auch seine Ahnung verraten: „Ich komme nicht wieder."

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An der Heisterbacher Straße erinnert ein neuer Stolperstein an Jacob Stromwasser.

Nicht wiedergekommen ist auch Jakob Stromwasser, das Pflegekind von Frieda Marx aus Oberdollendorf. Beide wurden 1941 in Minsk umgebracht. Für Frieda Marx war bereits im vergangenen Jahr an der Heisterbacher Straße 50 ein Stolperstein verlegt worden: Jetzt brachte Gunter Demnig auch für Jakob dort einen Stein an. Er war zehn, als er sterben musste. „Es war mir ein Bedürfnis hierherzukommen", meinte Helene Brase. Sie hat oft mit Jakob gespielt, denn von ihrem Elternhaus bis zu Jakob war es lediglich ein Sprung. Nur einmal, da traf sie ihn nicht mehr an. Helene Brases Mutter klärte ihre verwunderte Tochter auf: „Er ist verreist." Jahre später berichtete sie ihr, dass ihr Mann für die Familie eine große Holzkiste für die Habseligkeiten geschreinert hatte. Frieda Marx war mit ihrem Mann Louis und Jakob 1939 kurzfristig nach Elberfeld gezogen, wo Louis Marx verstarb. Von dort aus musste die Witwe mit Jakob den Weg ins Vernichtungslager antreten. Helene Brase entsinnt sich auch an Schmierereien am Haus. Im Zusammenhang mit der „Kristallnacht" war die Pension der Familie Marx geschlossen worden; vorher war Louis Marx wie auch David Cohn aus Quirrenbach der Wandergewerbeschein entzogen worden und damit die wirtschaftliche Grundlage.

Über 17 000 Steine in 395 Orten hat Demnig bisher zwischen Pflastersteine gebettet. „Dieses Interesse der Schüler macht mich froh", sagte er, ebenso die große Anteilnahme der Bevölkerung. „Das ist Geschichtsunterricht." oro

Quelle: General-Anzeiger vom 04.12.2008

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