Thorarolle darf nicht berührt werden
VON CORINNA HAUSEMANN, 29.04.06, 07:18h
KÖNIGSWINTER-OBERDOLLENDORF. Im Innenhof des Heimatmuseums Brückenhof gab es keinen Platz mehr. So viele Bürger waren zur Vernissage der Sonderausstellung „Jüdisches Leben in Königswinter" gekommen, die nach wochenlangen Vorbereitungen (die Rundschau berichtete) von der stellvertretenden Bürgermeisterin Cornelia Mazur-Flöer eröffnet wurde.
„Die jüngere Generation kann durch die vielen Ausstellungsstücke und durch die Führungen das Leben der jüdischen Mitbürger lebendig erfahren. Königswinter kann stolz auf den Brückenhof sein, der dank des Engagements seiner Mitglieder immer wieder interessante Sonderausstellungen bietet", meinte Mazur-Flöer. Pfarrer Georg Kalckert, auf dessen Initiative hin diese Ausstellung zustande kam, sagte: „Die Ausstellung kommt viel zu spät. Viele Zeitzeugen sind verstorben, sodass uns nur wenige authentische Berichte erreichen. Auch viele Dokumente aus der Zeit gibt es einfach nicht mehr. So haben wir beispielsweise kein Bild der Synagoge von vorn. Der Nachbau des Hauses ist aufgrund von Computerberechnungen gemacht worden.“
Kalckert rief in Erinnerung, dass es in Dollendorf schon vor dem Nationalsozialismus weniger Juden gab. 1885 lebten unter 1484 Bewohnern 54 Juden, 1930 bei einer Gesamtbevölkerung von 2604 nur noch 25 jüdische Mitbürger. Die Zahl ging dann bis 1938 bei leicht schwankender Einwohnerzahl auf 14 zurück. „Wir können hier keine umfassende Aussage über das jüdische Leben in Königswinter treffen. Mit Hilfe der Bonner Synagogengemeinde, die viele Ausstellungsstücke zur Verfügung stellt, können wir hoffentlich auf das eigentliche Leben der Menschen verweisen", so Kalckert weiter.
In der Ausstellung sind neben einem Modell der Synagoge viele Dinge aus dem jüdischen Lebenszyklus, die auch für die Feiertage benötigt werden, zu sehen. So die Dr. Philippson-Ludwig-Bibel, eine der ersten Bibeln in jüdischer Sprache in Deutschland. Eine Thorarolle, die nicht mit den Händen berührt werden darf, sondern mit einem Zeigegerät gelesen wird, ist ebenso ausgestellt.
Wie der Leiter des Brückenhofmuseums, Lothar Vreden, aus Gesprächen mit Besuchern berichtete, komme die Ausstellung deshalb so gut an, weil das Leben der Juden im Fokus stehe, ohne aber den Holocaust zu vernachlässigen.
(KR)
Quelle: Kölnische Rundschau / Rundschau-online.de vom 29.04.2006
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