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  Brückenhofmuseum

Erdhügel erinnern an den Überlebenskampf
Einige Familien aus Ober- und Niederdollendorf gruben vor dem Eintreffen der Alliierten Stollen in den Hang des oberen Schleifenweges - Bericht der Zeitzeugen stößt auf großes Interesse

Von Karl Josef Klöhs

Nur noch Schutt und Asche waren Teile des Rheinischen Vulkanwerkes nach dem Bombenangriff vom 8. November 1941.
Foto: Sammlung Klöhs

Niederdollendorf.
Das Interesse an den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges im Siebengebirge ist ungebrochen. 70 Interessierte lockten die drei Brüder Egon (Jahrgang 1928), Helmut (1933) und Lothar Vreden (1940) vergangenen Samstag an. In bildhafter Sprache ließen die Zeitzeugen die damalige Zeit an den Originalschauplätzen wieder lebendig werden.

Bereits 1941 lernten viele Dollendorfer die Schrecken des Krieges direkt vor ihrer Haustüre kennen. Im April fielen die ersten Bomben auf Oberdollendorf und zerstörten mehrere Häuser an der Heisterbacher Straße. Insgesamt waren fünf Tote zu beklagen. Anfang November wurden Teile der Didier-Werke, des Rheinischen Vulkans und das Strandbad in Schutt und Asche gelegt. Diese Erlebnisse schrieben sich tief im Gedächtnis der Menschen fest.

Im Herbst 1944 standen die Alliierten kurz vor dem Westwall. Jetzt drohte auch im Rheinland der Krieg aus allernächster Nähe. Überall versuchten sich die Menschen zu wappnen. Heute erinnern nur noch unscheinbare Erdhügel im südwestlichen Hang des oberen Schleifenweges, teilweise festgehalten vom Wurzelwerk mehrerer Ahornbäume, an zwei ehemalige Stollen im Berg.

Die abenteuerlich anmutende Geschichte dieser beiden improvisierten Schutzräume begann kurz vor Weihnachten 1944. Von der Angst um das eigene Leben angetrieben, schufteten vier Familien Tag für Tag im Wald. Langsam entstanden zwei Höhlenwege. Den einen trieben die aus Oberdollendorf stammende Familie Limbach voran, etwas unterhalb wühlten sich die Niederdollendorfer Familien Budnik, Sens und Vreden in den Berghang.

Beziehungen zu den Didier-Werken ermöglichten die Abstellung zweier italienischer Kriegsgefangener zur tatkräftigen Hilfe beim Stollenbau. Zum Schleifenweg hin sicherte je eine kleine Baubude den Eingang der Höhlen. Die Stollen waren untereinander verbunden und teilten sich in verschiedene Wohnhöhlen. Versetzt gegraben, sollte der möglichen Bedrohung durch Beschuss Rechnung getragen werden.

Das regnerische Wetter am Wochenende vermittelte den zahlreichen Besuchern anschaulich die damaligen Lebensumstände im Wald. Nasskalt und unheimlich war das Leben im 'Bunker', wie die Stollen schnell im Volksmund hießen. Bei diesen widrigen Umständen erkrankte die über 60-jährige Katharina Sens so schwer, dass sie am 17. März verstarb.

Anfang März 1945 erreichten immer mehr Lazarettfahrzeuge über die Dollendorfer Fähre das rechte Rheinufer. Während die leichtverwundeten Landser in den alten Niederdollendorfer Rheinvillen unterkamen, wurden die schwerverletzten Soldaten weiter in die Notlazarette von Königswinter und Bad Honnef transportiert. Als die ersten Schrapnellgranaten über dem Rhein explodierten, stürmten die Vreden-Brüder auf dem schnellsten Weg heim.

Vater Matthias Vreden hatte bereits den Handwagen hoch beladen und bei anbrechender Dunkelheit ging es zum Schleifenweg. Elf lange Tage und Nächte lebten die Familienmitglieder im 'Bunker'. Nur in den morgendlichen Feuerpausen konnte der Stollen verlassen werden. Frisches Wasser lieferte eine Quelle am Schleifenbach. Groß war das Erstaunen, als eines Morgens zwei junge Männer mit Rucksäcken den Schleifenweg hochkamen.

Sie berichteten, dass ihr Gestellungsbefehl sie zum Volkssturm nach Eitorf beordert hatte. "Seid ühr dann beklopp un wollt üch jetz noch für de Adolf kapottscheeße losse?", fragte aufgeregt Mutter Maria Vreden. "Blievt he!" Nach kurzem Nachdenken kamen die beiden Niederdollendorfer trotz ihrer Angst vor der SS zu dem Ergebnis, den Gestellungsbefehl nie erhalten zu haben. Beide überlebten den Krieg.

Den Originalschauplatz am Oberdollendorfer Schleifenweg suchen die Zeitzeugen zusammen mit den vielen interessierten Bürgern auf. Foto: Homann

Eine Woche später sorgte eine Gruppe deutscher Soldaten für Aufregung. Mit zwei Kanonen und einem Maschinengewehr wollten sie sich in der Nähe des 'Bunkers' am Waldrand eingraben. Die besorgten "Stollenbewohner" konnten den Soldaten die Sinnlosigkeit ihres Vorhabens nicht vermitteln. Am 17. März, als die Amis bereits in Königswinter standen, lag die Stellung aus dem Wald heraus unter Dauerfeuer.

Nach halbherziger Gegenwehr flohen die deutschen Soldaten Hals über Kopf talwärts. Dann rückten die Alliierten nach Niederdollendorf vor. Über den freigekämpften Berghang kamen zahlreiche GIs im Schützenrudel mit der Waffe im Anschlag die Schleife herunter. Aus den alten Baubuden vor den Stollen hingen weiße Küchentücher heraus. Alle Zivilisten waren aus ihren Stollen herausgekommen und bestaunten ungläubig die fremden Soldaten.

Quelle: General-Anzeiger online (11.05.2005)

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