Presseecho

 Brückenhofmuseum

Mutig widerstand er den Machthabern
HEIMATGESCHICHTE
Ein neues Namensschild ziert seit gestern die Leo-Tendler-Anlage. Der Zentrumspolitiker bot den Nazis hartnäckig die Stirn und machte sich nach dem Krieg um den Wiederaufbau Dollendorfs verdient

GA_tendler_1

Anbringung der neuen Tafel: Peter Kolf (von links) und Peter Wirtz schrauben das Schild an, während die Töchter von Leo Tendler, Marga Binot und Josefine Frembgen, zuschauen.
FOTO: FRANK HOMANN

Von
Roswitha Oschmann

OBERDOLLENDORF.
„Er war ein herzensguter Mann." Peter Kolf (67) hat nur gute Erinnerungen an den einzigen Ehrenbürger von Oberdollendorf. Als Nachbarsjunge ging er im Haus von Leo Tendler ein und aus. Und nicht selten durfte er sich aus dem Bonbonglas, das in Tendlers Kolonialwarenladen stand, etwa Süßes herausfischen. Nun fertigte der gelernte Schreinermeister Peter Kolf ein neues Namensschild für die Leo-Tendler-Anlage, die 1979 zu Ehren des einstigen Bürgermeisters von Oberdollendorf eingeweiht wurde. Peter Wirtz, Stadtoberhaupt von Königswinter, schraubte die Tafel gestern an dem kleinen Park an der Ecke Cäsarius-/Heisterbacher Straße an und taufte sie mit Oberdollendorfer Wein. „Wie es sich bei Leo Tendler als Verfechter des Weinbaus gebührt", lachte Peter Wirtz. „In memoriam. Er hätte seinen Spass gehabt", schmunzelte Wirtz. Da wollten ihm die Tendler-Töchter Marga Binot (82) und Josefine Frembgen (79) nur zustimmen. Peter Kolf hatte sich den Spaß gemacht, alte Etiketten mit der Aufschrift „Winzerverein Siebengebirge Oberdollendorf" auf Flaschen zu kleben. Mit dem guten Tropfen stießen die Gäste der kleinen Gedenkfeier auf Leo Tendler an.

Die Stadt Königswinter hatte die Ehrenbürgerschaft nach der kommunalen Neuordnung übernommen. Mutig hatte sich der Gemeindeschulze in der Nazizeit gegen die Machthaber gestellt. Guter Grund für den Oberdollendorfer Historiker Ansgar Klein, Tendlers Wirken in seine Doktorarbeit einfließen zu lassen. Der Heimatverein Oberdollendorf wird bald eine Tafel an der Anlage aufstellen mit Informationen über ihren Ehrenvorsitzenden Tendler und über eine weitere Berühmtheit, den Mönch von Heisterbach. Denn dessen Statue hatte auf der Anlage seinen Standort erhalten.

PANTALEON TENDLER

Am 18. März 1945 nachmittags um halb vier waren die Amerikaner da. „Nichtsahnend saßen wir noch gegen Abend in Neunkirchens Keller, als plötzlich drei oder vier riesige GIs erschienen und unseren Vater, Leo Tendler, mitnahmen. Wir waren alle sehr erschrocken und wussten nicht, was dies bedeuten sollte. Voller Angst warteten wir auf seine Rückkehr. Gegen 9 oder 10 Uhr wurde er wieder nach Hause gebracht, und zu unserer großen Überraschung hatte man ihn zum Bürgermeister bestimmt." So erinnerte sich einst Tendlers Tochter Elisabeth Tillmann an jenen Sonntag, der so aufregend endete wie er begonnen hatte. Zwei Stunden vor dem Eintreffen der amerikanischen Soldaten war das Haus Tendlers bei letzten Kämpfen von einer Granate zerstört worden, während die Familie und Nachbarn im Keller hockten und von den Trümmern verschüttet wurden.

GA_tendler_2

Bürgermeister in Oberdollendorf von 1945 bis 1961: Leo Tendler

Leo Tendler, Bürgermeister von Oberdollendorf zwischen 1945 und 1961, wurde bei seinem Abschied vom Amt zum Ehrenbürger Oberdollendorfs ernannt. Es waren die Verdienste um den Ort, die ihn auszeichneten, aber vor allem auch seine Standhaftigkeit in Zeiten, in denen viele einknickten. „Tendler ist auch heute noch der Exponent der alten Zentrumskreise und bietet keine Gewähr für einen positiven Einsatz im Sinne der NSDAP", lautete das vernichtende Urteil des Oberkasseler Amtsbürgermeisters 1935. Er bat deshalb den Landrat, den Oberdollendorfer Gemeindeschulzen wegen politischer Unzuverlässigkeit abzuberufen. Damit war eine Karriere, die mit Tendlers Engagement für seinen Heimatort und den Kommunalwahlen 1929 begonnen hatte, zunächst beendet. Für die Zentrumspartei hatte er sich erfolgreich um ein Ratsmandat beworben und war dann sogar zum Gemeindevorsteher gekürt worden. Er erfreute sich eben damals schon großer Beliebtheit.

Am Silvestertag 1881 in Oberdollendorf zur Welt gekommen, besuchte er dort die Volksschule, diente als Messdiener an Sankt Laurentius, dann als Küster, und später war er lange Vorsitzender des Kirchenvorstandes. Sein Vater führte einen Kolonialwarenladen, den Sohn Pantaleon 1907 übernahm. Tendler hatte einen Weinberg geerbt. Nach dem Ersten Weltkrieg bemühten sich auch die Oberdollendorfer, den Weinanbau wieder anzukurbeln. Um diesem Wirtschaftszweig wieder Schwung zu verleihen, gründete Leo Tendler mit anderen Winzern 1921 eine Brennerei. So konnten die Rückstände der Weinkelterei verwertet werden. 1929 rief Tendler den Winzerverein Siebengebirge ins Leben. Er wollte auch den kleinen Winzern die Möglichkeit eröffnen, ihre Produkte gut zu vermarkten. Als Gemeindeschulze initiierte er den Bau von Weinbergwegen mit staatlichen Zuschüssen.

Von privaten Schicksalsschlägen blieb er nicht verschont. Seine erste Frau Elise Sülzen starb mit dem zweiten Kind bei der Geburt; eine Tochter hatte das Paar bereits verloren. 1915 heiratete Leo Tendler Gertrud Rademacher, mit der er drei Töchter hatte. Die beiden Söhne starben im Kindesalter. Seine Haltung gegenüber dem NS-Regime wirkte sich auch auf die Familie aus. Seinen Töchtern verbot er den Eintritt in den Bund Deutscher Mädchen. Seine Frau trat aus der Frauenschaft aus, und Tendler verließ nach kurzer Zeit die NSHandels- und Gewerbeorganisation. Er weigerte sich, den Westdeutschen Beobachter zu abonnieren, wie er ebenso den Beitritt zur SA-Reserve ablehnte. Ein Zusammenstoß mit SA-Männern gab 1935 den willkommenen Anstoß: Der Landrat entfernte Leo Tendler aus dem Amt. Beobachtet wurde er weiter. Von dem amerikanischen Ortskommandanten erfuhr er später, dass sein Name auf einer Schwarzen Liste der Ortsgruppenleitung stand.

Sein neues Amt als Bürgermeister fiel ihm nicht leicht. Tendler musste die Anordnungen der Besatzungsmacht befolgen und gleichzeitig die Bedürfnisse der notleidenden Bevölkerung erfüllen. Ein Spagat. Nur schweren Herzens erledigte er die unangenehmen Aufgaben. Aber offensichtlich zur Zufriedenheit der Oberdollendorfer. Bis 1961 war er ihr Bürgermeister, inzwischen vom Zentrum zur neugegründeten CDU gewechselt. Unter seiner Leitung wurde der Wiederaufbau des Ortes betrieben. Neu hinzu kamen Grundschule, Kindergarten, ein Altenheim und auch eine Rebschule. Tendler gründete den Heimatverein mit, wie der Träger des Bundesverdienstkreuzes und des kirchlichen Ordens "Proecclesia et pontifice" überhaupt vielen Ortsvereinen angehörte, die ihn auch zu ihrem Ehrenmitglied machten. Am 5. Mai 1975 starb Pantaleon Tendler, seine Ruhestätte hat er auf dem alten Friedhof.                    oro

Quelle: General-Anzeiger vom 06.03.2008

zur Startseite