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“Mädchen, du musst die Schleife zubinden”
JUBILÄUM
Silvia Kocks ist seit 25 Jahren Pfarrerin in der evangelischen Gemeinde Dollendorf. Jugendarbeit ist ihr Steckenpferd. Die Theologin geht mit den jungen Menschen an “Lernorte”

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Dort fühlt sie sich am wohlsten: Pfarrerin Silvia Kocks vor der Kirche an der Friedenstraße.      FOTO: HOLGER HANDT

Von
Roswitha Oschmann

NIEDERDOLLENDORF.
Das ist schon so ein richtiges Ritual. Ehe Silvia Kocks vor dem Konfirmationsgottesdienst in den Talar schlüpft, springt sie schnell noch einmal in die Kirche, um zu überprüfen, ob auch alles an seinem Platz ist.

Es war in ihrer Anfangszeit. Sie eilte im schwarzen Rock und weißem Blüschen mit Volantkragen und Bändchen am Hals über den Vorplatz. Da rief ihr eine Dame zu: „Mädchen, Du musst die Schleife zubinden." Sie glaubte wohl, eine Konfirmandin vor sich zu haben: Wie mag erst der Gottesdienstbesucherin zumute gewesen sein, als sie danach ihren „Irrtum" predigen hörte.

Genau 25 Jahre als Pfarrerin in der evangelischen Gemeinde Dollendorf liegen hinter Silvia Kocks. „Oh Gott, ist die jung", erinnert sich eine Zeitzeugin an ihren ersten Gedanken beim Einführungsgottesdienst damals Ende Februar 1983. Und: „Die trauen sich was, eine Frau zu nehmen." Die, die Mitglieder des Presbyteriums, die sich nach der Probepredigt für die zierliche Frau, Jahrgang 1950, entschieden hatten. „So jung war ich gar nicht mehr", lacht Silvia Kocks. Aber sie wirkte so.

Zudem, eine Frau auf der Kanzel, das war in jenen Jahren eher selten. Zwei Theologinnen, denen Silvia Kocks einst auf einer Griechenlandreise begegnete, hatten bei ihr den entscheidenden Impuls ausgelöst, Pfarrerin zu werden. Sie stand gerade vor dem Lehrerexamen. Hinter ihr lagen außerdem, bereits drei Semester Informatik und Mathematik. „Naturwissenschaften faszinierten mich, aber sie erschienen mir so lebensfern: Alles ist so eindeutig, aber so ist das Leben nicht."

Silvia Kocks wollte mit Menschen zu tun haben. Also schwenkte sie auf das Lehramtsstudium um. Als sie jedoch ihren Griechenland-Rucksack auspackte, da war da noch immer dieser Funke: Das Wort Gottes wurde ihr zur Berufung. Die gebürtige Bonnerin erhielt ein Stipendium der Landeskirche über neun Semester und schaffte es tatsächlich, das umfangreiche Pensum des Theologiestudiums mit all den Sprachen in dieses enge Zeitlimit zu pressen. Im Nachbarbezirk Oberkassel absolvierte Silvia Kocks ihr Vikariat, hier fand sie besonders bemerkenswert, dass theoretische Lerninhalte bereits von ihrem Mentor, Pfarrer Hans Kroh, in Gemeindearbeit umgesetzt wurden. Als die Stelle in Dollendorf frei wurde, bekam sie den Zuschlag. „In einer anderen Gemeinde möchte ich nicht sein", sagt die Silberjubilarin. Sie ist dankbar, hier Menschen gefunden zu haben, die „Freude und Bürde des Amtes mit mir teilen, die Höhepunkte und den Alltag des Gemeindelebens mitverantworten und mitgestalten". Die ihr mit Offenheit und Wertschätzung begegnen. Und die ihr auch ihre Kinder anvertrauen und diese zur Teilnahme an den vielfältigen Aktivitäten ermutigen.

„Jugendarbeit ist ein Steckenpferd von mir, ihr gehört ein großes Maß meiner Aufmerksamkeit und meines Engagements", erzählt Pfarrerin Kocks. Da sind die Sommerfreizeiten, die trotz oder gerade wegen ihrer Themen und Arbeitsprogramme nebst Vereinbarungen zu Rennern bei den Jugendlichen wurden. Das Zusammensein mit den Konfirmanden, in diesem Jahr sind es 45 in der 2000 Mitglieder zählenden Gemeinde, ist Silvia Kocks besonders wichtig. Ihnen bringt sie das Buch der Bücher nahe, „das die wesentlichen Fragen des Lebens zu beantworten vermag: woher komme ich, wohin gehe ich, wozu bin ich auf der Welt."

Es bleibt nicht beim Studium der Zeilen. Pfarrerin Kocks lässt die jungen Menschen die Fragen auch in der Praxis finden, an „Lernorten". Sie gehen zu Bestattern und auf den Friedhof, befassen sich mit dem Hospizgedanken. Dem Komplex zum Anfang des Daseins spüren sie beispielsweise bei Pro Familia nach. Beim Erste-Hilfe-Kursus oder bei der Sozialberatung werden die Mädchen und Jungen mit der Verantwortung für sich selbst und für andere konfrontiert.

Hier schlägt wohl auch der Erstberuf von Silvia Kocks durch. Eigene Kinder hat die Pfarrerin nicht. Aber bei dem ihr eng verbundenen Nachwuchs ihrer Schwester hat sie Spuren hinterlassen. Eine der Nichten ist Pfarrerin, zwei sind Religionslehrerinnen, und ein Neffe wurde Naturwissenschaftler. Aufgabe des gerade frisch gewählten Presbyteriums wird die Nachfolgeregelung für Silvia Kocks sein. In drei Jahren verabschiedet sie sich aus dem aktiven Dienst. Dann möchte die begeisterte Islandpferdereiterin vielleicht Bücher schreiben, in die all ihre Erfahrungen einfließen sollen. Dann macht Silvia Kocks „die Schleife zu".

Quelle: General-Anzeiger vom 07.03.2008

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